Der aktuelle Wohnungsbericht des Landkreises Böblingen zeigt deutlich, dass ein Bedarf an Wohnungen in allen Preisklassen, insbesondere an bezahlbarem Wohnraum für Ältere, Alleinstehende, junge Familien und Geringverdiener besteht. Das geplante Neubaugebiet Herrenberg-Süd bietet eine große Chance, die wir nutzen sollten.

Von der Verkehrserschließung über die Energieversorgung bis zum Grundstückszuschnitt und zur Bebauung und Begrünung kann ein stimmiges und innovatives Gesamtkonzept umgesetzt werden. Ein lebendiges Stadtquartier mit eigener Identität kann eine überzeugende Alternative zu den gleichförmigen und flächenfressenden Einfamilienhausgebieten sein, die landauf, landab aus dem Boden schießen.

In einem städtebaulich attraktiven, sozial und ökologisch nachhaltigen Neubauquartier mit einer Vielfalt an Wohnungsgrößen und Wohnungsgrundrissen und einer Mischung von Eigentum und Mietwohnungen, Projekten von Baugruppen, Bauträgern und Einzelbauherren können alle Generationen und unter schiedlich große Haushalte ihre Wohnwünsche realisieren.

Eine flächenschonende Verdichtung ist machbar, ohne dass Lebens- und Wohnqualität verloren geht. Lärm- und sichtgeschützte private Rückzugsbereiche, überschaubare halböffentliche Räume – beispielsweise mit Innenhöfen, Quartiersplätzen und Wohnwegen, die Treffpunkt und Begegnungsräume sind – und attraktive öffentliche Freiräume, Plätze und Straßen sind Voraussetzung dafür. Grün im Stadtquartier, Spielplätze für Kinderund Jugendliche und Bewegungsmöglichkeiten für Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, tragen dazu bei, dass die Bewohner sich wohlfühlen, eine gute Nachbarschaft pflegen und sich für „ihr“ Quartier engagieren.

Noch in diesem Jahr will die Region Stuttgart eine Internationale Bauausstellung (IBA) beschließen, die im Zeitraum 2017 bis 2027 zukunftsweisende Wohnungs- und Städtebaukonzepte nicht nur in der Landeshauptstadt, sondern in der gesamten Region umsetzt. 2027 jährt sich der Bau der Weißenhofsiedlung in Stuttgart zum 100. Mal. Als Bauausstellung geplant war diese Siedlung wegweisend und gab eine Antwort auf die Wohnbedürfnisse in einer Zeit großer gesellschaftlicher und kultureller Umbrüche. Heute gilt die Weißenhofsiedlung als eine der bedeutendsten Architektursiedlungen der Neuzeit und ist ein weltweit beachtetes Vorbild der modernen Architektur.

An diese Tradition will die IBA Region Stuttgart anknüpfen, die Städte und Gemeinden in der Region mit innovativen Projekten einbinden und die Themen erweitern: Wie werden wir zukünftig leben, wohnen und arbeiten? Wie kann Wohnraum bezahlbar bleiben? Welche Mobilitätsinfrastruktur benötigen wir und welche Mobilitätsformen sind zukunftsfähig? Wie realisieren wir eine CO2-neutrale Energieversorgung und eine möglichst vollständige Kreislaufwirtschaft? Wie schonen wir Natur und Umwelt?

Die Zukunft der Städte liegt jedoch nicht allein in der technischen Bewältigung der wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen des Bauens, sondern auch in ihrer Qualität als Stadt mit einem menschlichen Maßstab und Gesicht. Wie leben wir in einer Region mit Menschen aus 180 Nationen zusammen? Wie gestalten wir Wohnungen, Häuser und Quartiere so, dass sie zur Heimat werden? In Herrenberg können wir auf diese Fragen Antworten geben.

Wir haben die Chance, mit einem inspirierenden Konzept zu zeigen, dass gute Ideen nicht nur in den Metropolen entstehen, sondern auch in der Region zu Hause sind. Eine Beteiligung an der IBA kann Impulse geben und Maßstäbe setzen.

Wir sollten den Mut haben, die Messlatte für Herrenberg-Süd hoch zu legen und mit Schwung, Ausdauer und Expertenrat ein Stadtviertel bauen, das zu einem Vorzeigequartier in der Region wird.