Zeit für neue Zukunftsvisionen

Veröffentlicht am 06.03.2017 in Presseecho
Evelyne Gebhardt im Klosterhof (GB-Foto: Vecsey)
Überzeugte Europäerin: Evelyne Gebhardt im Klosterhof GB-Foto: Vecsey

Herrenberg: Evelyne Gebhardt, Vizepräsidentin des Europaparlaments, zu Gast

60 Jahre nach Unterzeichnung der Römischen Verträge steht die Europäische Union vor einer Bewährungsprobe. Nationalistische und protektionistische Tendenzen setzen dem Staatenverbund zu. Höchste Zeit, Visionen für ein Europa der Zukunft zu entwickeln, wie die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments findet. Auf Einladung der SPD-Ortsvereine Herrenberg, Nufringen und Jettingen kam Evelyne Gebhardt mit Bürgern darüber ins Gespräch.

Von Nadine Dürr

Es ist vor allem diese eine Frage, die Evelyne Gebhardt im Ausland immer wieder gestellt wird: Wie haben Sie es geschafft, 28 Staaten mit ihren verschiedenen Kulturen und Traditionen zusammenzubringen? Und dabei wird der Deutsch-Französin stets aufs Neue bewusst: „Verdammt, was wir da in Europa geschaffen haben, ist etwas so Tolles! Das müssen wir weiterführen.“ Viel zu sehr sei in Vergessenheit geraten, angesichts welcher historischer Erfahrungen die Staatengemeinschaft aus der Taufe gehoben wurde. „Wie war es denn zuvor in Deutschland, in Frankreich? Wir hatten einen Krieg nach dem anderen, Anfang des 20. Jahrhunderts sogar zwei Weltkriege“, rief Gebhardt in Erinnerung. Dass sich einst verfeindete Staaten zusammenschlossen und seit nun mehr 72 Jahre in Frieden leben, sei eine große Errungenschaft und ganz wesentlich das Verdienst der EU.

Nun stellen sich die Weichen, wie es mit diesem Europa weitergeht: „Will man die Demokratie oder den Weg des Autokratismus, der sich in vielen Staaten abzeichnet?“ Ukip und Orban, Trump und Erdogan, Le Pen und Wilders stünden für eine weltweite Bewegung, die salonfähig mache, was lange Zeit tabu war: die Ausgrenzung und Spaltung. Den Pegida-Teilnehmern, die in Dresden „Wir sind das Volk“ skandierten, spricht Gebhardt ab, für 80 Millionen Deutsche zu sprechen: „Wir müssen dafür sorgen, dass die schweigende Mehrheit eine wird, die sich äußert.“

Doch waren es nicht die Mitgliedsstaaten Deutschland und Frankreich, die über die Köpfe weniger einflussreicher Staaten hinweg entschieden und so den Nationalismus mit befeuerten, wollte einer der vielen Zuhörer wissen, die sich im Klosterhof-Café drängten. „Merkel neigt zu Alleingängen und zur Überstimmung der anderen“, pflichtete die SPD-Politikerin aus Schwäbisch-Hall bei. „Die Grenzen für Flüchtlinge zu öffnen, war richtig, es zu machen, ohne mit den Partnern in der EU zu telefonieren, war aber grottenfalsch und ein großer Fehler.“ Gleiches gelte für die Austeritätspolitik. Dass Kanzlerkandidat Martin Schulz anders handeln würde – davon ist die Politikerin überzeugt.

Selbstkritik bei den Organen der EU vermisste ein anderer Bürger: „Dass man in Straßburg und Brüssel keine Antennen für den Brexit hatte, erstaunt mich.“ Zudem machte er auf Demokratiedefizite aufmerksam: „Die EU ist selbst Teil des Autokratismus, denn sie hat es bis heute nicht geschafft, sich eine demokratische Legitimation zu verschaffen. Die Württembergischen Landstände hatten mehr Macht als das Europäische Parlament.“ Dass Letzteres dabei sei, sich die Rechte nach und nach zu erkämpfen, beteuerte Gebhardt und mahnte zur Geduld. „Wir wollen die Vereinigten Staaten von Europa, haben sie aber noch nicht. Wir sind
jetzt noch eine Art Staatenbund und die demokratischen Strukturen können in diesem Gebilde noch nicht so ausgeprägt sein wie in einem Staat.“ Es gelte zudem, die meist nicht an die Öffentlichkeit dringenden Erfolge des EP wie das durchgesetzte Bankkonto für jedermann, sichtbarer zu machen, um so das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen.

"Es lohnt sich, dafür zu kämpfen" (Evelyne Gebhardt (SPD))

Dass die EU der Zukunft insbesondere in den Bereichen Außenhandel, Verbraucherschutz, Flüchtlings- und Außenpolitik sowie Klima- und Umweltschutz gemeinsame Regeln definieren müsse, begreift die SPD-Politikerin als unabdingbar, da diese Themen an den Grenzen nicht haltmachten. Strukturellen Reformbedarf erkennt die Politikerin an zwei Stellen: Neu überdacht werden müsse sowohl die Zusammenstellung der Europäischen Kommission als auch die Rolle des Europäischen Rats. Kritisch beäugt die EP-Vizepräsidentin die Forderung von Kanzlerin Angela Merkel nach einem Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten: „Das verstößt gegen den Grundgedanken, dass wir die Vereinigten Staaten von Europa anstreben. Wollen wir das wirklich, dass es Staaten gibt, die Freizügigkeit haben, und welche, die nicht?“ Rechtsstaatlichkeit von Mitgliedsstaaten wie Ungarn einzufordern, verunmögliche ein solches Konzept zudem. Schließlich positionierte sich die 63-Jährige eindeutig gegenüber den abtrünnigen Briten: „Ein Abkommen, dass sie den Binnenmarktzugang haben ohne die Pflichten, kommt für uns nicht infrage.“ Bevor die EP-Vizepräsidentin dann den Heimweg antrat, bekräftigte sie nochmals: „Europa, das sind nicht nur Glühbirnen. Der Kern Europas ist das friedliche Zusammenleben der Völker und es lohnt sich, dafür zu kämpfen."

 

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