Neue Wege und Chancen für den Einzelhandel

Veröffentlicht am 10.11.2005 in Presseecho

Artikel des Gäuboten vom 10.11.2005

"Mittags schließen ist fast sträflich"

Herrenberg/ Immer mehr Geschäfte in der Herrenberger Innenstadt stehen leer. Einzelhändler klagen über fehlende Kundschaft. Das sind bekannte Fakten. Dennoch erlebten die rund 30 Zuhörer des Vortrags "Der Einzelhandel im freien Fall?" im Herrenberger Hotel "Hasen" eine böse Überraschung. Denn laut aktueller IHK-Daten, die der Stuttgarter City-Manager Hans Pfeifer zitierte, sind Kaufkraft, Pro-Kopf-Umsatz und Zentralität in Herrenberg in den vergangenen zwei Jahren deutlich gesunken. Und: "Das ist nur in Herrenberg so", sagte Pfeifer. Andere Städte und Gemeinden mit über 10 000 Einwohnern der Region Stuttgart verzeichnen eine positive Tendenz.

Wie können die verschiedenen Verantwortlichen dazu beitragen, damit Herrenberg als Einkaufsstadt attraktiv ist? Um der Antwort auf diese Frage näher zu kommen, hatten der SPD-Ortsverein und Birgit Kipfer, Verbraucherpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Hans Pfeifer eingeladen, über neue Wege und Chancen für den Einzelhandel zu referieren. Pfeifer ist Geschäftsführer der "CityInitiative Stuttgart e.V." (CIS), der derzeit rund 260 Mitglieder unter anderem aus Handel, Gastronomie, Banken, Versicherungen und Medien angehören und die sich als wirtschaftliches Sprachrohr der Innenstadt versteht (siehe auch "Stationen im Leben von Hans Pfeifer"). Dabei wurde am Dienstagabend einmal mehr deutlich, was den Einzelhandel schon seit langem bewegt: Eine einfache Problemlösung gibt es nicht. Warum gerade in Herrenberg als einziger Stadt dieser Größenordnung in der Region Kaufkraft, Umsatz und Zentralität gesunken sind, konnte auch der 57-jährige Experte nicht erklären. Zum Vergleich: 2003 lag die einzelhandelsrelevante Kaufkraft also der Teil der allgemeinen Kaufkraft, der tatsächlich im Einzelhandel ausgegeben wird pro Kopf bei 5 607 Euro, im Jahr 2005 waren es 5 540 Euro. Der Einzelhandelsumsatz sank in Herrenberg von 155 Millionen Euro in 2003 auf rund 149 Millionen in 2005. In Sindelfingen kletterte dagegen beispielsweise der Einzelhandelsumsatz im gleichen Zeitraum von 471 Millionen auf knapp 520 Millionen Euro. "Vielleicht liegt es in Herrenberg an der örtlichen Situation", meinte Pfeifer, der 1974 mit 25 Jahren Bürgermeister in Bad Boll wurde und damit der damals jüngste Schultes in BadenWürttemberg war. Da er die speziellen Gegebenheiten in der Gäustadt nicht kenne, könne er die Entwicklung nicht bewerten.

Generell sei festzustellen: "In der Region Stuttgart leiden wir auf einem relativ hohen Niveau", sagte Pfeifer zu den Einzelhändlern, SPD-Mitgliedern und Interessierten. Die Kunden seien heute mobil und würden sich, wenn sie einmal im Auto säßen, genau überlegen, wo sie zum Einkaufen hinfahren. So stünden die Städte untereinander im Wettbewerb um die Kunden. Wobei: "Große Frequenz heißt nicht großer Umsatz."

Dass die Kunden heute zielgerichteter kaufen würden und meist nur das "Pflichtprogramm" wie Lebensmittel oder Kleider nachfragten, sei verständlich. Denn angesichts der hohen Arbeitslosigkeit, drohender Mehrwehrtsteuer-Erhöhung und sozialer Kürzungen würden viele Menschen ihr Geld lieber sparen. Die Sparquote liege in Deutschland derzeit bei etwa elf Prozent, in Amerika dagegen nur bei fünf Prozent, veranschaulichte Pfeifer die Situation. Mit ausufernden Rabattschlachten habe auch der Handel in der Vergangenheit seinen Teil dazu beigetragen, die Kunden zu verprellen.

Ein weiteres Problem seien die großen Einkaufszentren, von denen es immer mehr gebe. "Alle wollen die Kaufkraft am Ort binden. Aber der Kuchen wird nicht größer", meinte Pfeifer. Es handele sich um einen "Wettbewerb, den Sie als klassischer Einzelhändler nicht gewinnen können." Um ein Geschäft in einem "Shopping-Center" zu eröffnen, müsse pro Quadratmeter mindestens drei Euro in den Marketing-Pool gezahlt werden. Diese Organisationsform sei verglichen mit den Einzelhändlern als Individualisten außerordentlich ertragreich. "Einkaufen bei jeder Witterung unter einem Dach. Dazu gibt es dann noch Aktionen", zählte Pfeifer die Vorteile auf. Dies sei aber kein Grund für die Herrenberger Geschäftsleute zu resignieren: "Sie brauchen als Stadt auch eine Gesamtinszenierung." Eine Gesamtinszenierung, die Begegnung, Kommuniaktion, Konsum, Freizeit, Wohnen, Arbeiten und Gastronomie ermögliche. Wer dies nicht erkenne, bekomme ein Problem. Die Einkaufs-Zentren hätten gezeigt, was der Kunde will: Ein schönes Ambiente, Unterhaltung und viele Geschäfte. "Herrenberg mit seinen alten Fassaden, der interessanten Architektur und den kleinen Gässchen braucht keine künstliche Welt."

"Es ist nicht nur ein Problem des Handels. Wenn jeder Einzelne vor sich hinwurstelt, wird er das Problem nicht lösen", befand Hans Pfeifer. Alle Partner Kommunalpolitik, Handel, Dienstleister, Konsum, Kultur und Gastronomie seien gefordert. In puncto Flexibilität müssten die Läden reagieren: "Verlässliche Kernöffnungszeiten sind Pflicht, keine Kür", meinte der Experte. Das Thema Ladenöffnungszeit werde derzeit auch in der Landtagsfraktion diskutiert, sagte Birgit Kipfer. Was denn die optimale Ladenöffnungszeit sei, wollte die SPD-Landtagsabgeordnete wissen. Pfeifer: Pauschal könne man das nicht sagen. Denn für bestimmte Branchen gebe es auch ein bestimmtes Einkaufsverhalten. Aber: "Wir wollen Eigenverantwortlichkeit darüber, wann wir aufmachen." Fest steht für den gebürtigen Stuttgarter: "Es ist fast sträflich vom Handel, wenn man über Mittag zumacht."

Für Bodo Philipsen, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Herrenberger Gemeinderat, ist die Lage in der Altstadt sehr Besorgnis erregend. Philipsen: "Die Verwaltung zeigt sich zufrieden mit dem Zustand und sieht das Problem nicht so." Da der SPD-Fraktion die Situation des Einzelhandels ein dringliches Anliegen ist, findet am Freitag eine nicht-öffentliche Klausurtagung zum Thema "Altstadt" statt. Teilnehmen werden unter anderem der Gewerbeverein, der Stadtjugendring, der Stadtseniorenrat, das Büro Kölz sowie Gemeinderäte und Vertreter des Hauptamts. Anfang Dezember soll das Thema dann in einer öffentlichen Gemeinderats-Sitzung behandelt werden, so Stadtsprecher Herbert Walter auf "Gäubote"-Anfrage.

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