Gäubote vom 19.06.2024
Herrenberg/Gültstein: SPD-Fraktion will nach Unfall auf Kreisstraße 1036 eine Geschwindigkeitsbegrenzung. Nach einer Verkehrszählung der Straßenmeisterei wird das Tempo in der Tat künftig von 100 auf 70 reduziert.

Da die Querungshilfe in der Nähe der Kochmühle stärker genutzt wird als gedacht, reduziert die Stadt das Tempo. GB-Foto: Schmidt
Von Florian Lieb
Der 20. März dieses Jahres ist ein Mittwoch, als gegen 13.30 Uhr eine 68-jährige Radfahrerin mit ihrem Pedelec die Verkehrsinsel in der Nähe der Kochmühle auf der Kreisstraße 1036 in Richtung Gültstein passieren will. Es sind nur ein paar Meter bis zur Verkehrsinsel, nochmals dieselbe Distanz, um die Kreisstraße vollends zu überqueren – doch dazu kommt es an diesem Nachmittag nicht. Die 68-Jährige wird von einem Audi erfasst, noch ehe sie die Verkehrsinsel erreicht, und muss mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht werden.
Der Audi soll nach Angaben aus dem Polizeibericht auf der K 1036 aus Richtung Gültstein unterwegs gewesen sein. Der 33 Jahre alte Lenker „wollte vermutlich kurz vor der Verkehrsinsel ein vor ihm befindliches Fahrzeug überholen“, heißt es im Polizeibericht. Dazu soll er „nach links auf die Gegenfahrbahn“ ausgeschert sein, wollte wohl nach der Verkehrsinsel den Überholvorgang abschließen, sich zurück auf seiner Fahrspur einordnen. Erfasste dabei aber die 68-Jährige, „die sich noch auf der Fahrbahn befand“. Zum Glück trug sie einen Helm.
Polizei verzeichnet drei Unfälle in den vergangenen 1,5 Jahren
Die SPD-Fraktion machte sich Ende Mai in einem Antrag für eine durchgehende Geschwindigkeitsbegrenzung von 70 Stundenkilometern auf der Südumfahrung zwischen Ackermannkreisel und dem Eingang ins Gewerbegebiet stark. Tempo 70 gilt auf der K 1036 bereits in verschiedenen Abschnitten, aber nicht überall – vom Ackermannkreisel bis zur Abzweigung nach Tailfingen, jener Bereich, wo sich der Unfall vom 20. März ereignet hat, darf bis zu 100 km/h gefahren werden. Immer wieder komme es zu schweren Unfällen auf diesem Streckenabschnitt, heißt es im SPD-Antrag. Immer wieder würden Autos auf der Gegenfahrbahn gesetzeswidrig überholen.
Fragt man im zuständigen Polizeipräsidium in Ludwigsburg nach, werden dort im Zeitraum der zurückliegenden 1,5 Jahre für den betreffenden Streckenabschnitt zwischen Ackermannkreisel und der Abzweigung nach Tailfingen lediglich drei Unfälle angegeben, wenn auch die jüngeren beiden aus dem März dieses Jahres datieren. Am 19. Oktober 2022 wurde ein Verkehrsteilnehmer geschädigt, nachdem das Fahrzeug vor ihm seine Ladung verlor. Die beiden Unfälle im vergangenen März resultieren beide aus Überholvorgängen. Vor dem 20. März war am 2. März ein Pkw-Fahrer vom Ackermannkreisel kommend unerlaubt über die Fahrstreifenbegrenzung ausgeschert, um ein vorausfahrendes Fahrzeug zu überholen. Dabei kam es zu einem Spiegelstreifer mit dem Gegenverkehr. Die dort betroffene Pkw-Fahrerin musste auf den Grünstreifen ausweichen, um eine Kollision zu vermeiden. Darüber hinaus ereigneten sich in den vergangenen anderthalb Jahren vier Wildunfälle auf besagtem Straßenverlauf. Der Streckenabschnitt wird seitens des Polizeipräsidiums daher als „relevant, aber grundsätzlich unauffällig“ eingestuft.
„Die thematisierte Stelle ist kein Unfallschwerpunkt“, hieß es bis vergangene Woche ebenfalls noch seitens der Stadtverwaltung Herrenberg. Gleichwohl für den Abschnitt zwischen der Einmündung der Nebringer Straße bis zum Ackermannkreisel Ende Mai bereits ein absolutes Überholverbot verordnet worden war. Nun hat sich die Straßenmeisterei nochmals zu einer Verkehrszählung an der Querungshilfe aufgemacht. „Dabei wurde festgestellt, dass diese mehr Radfahrende nutzen, als bislang angenommen“, berichtet die Ordnungsamtsleiterin Sandra Böhme gegenüber dem „Gäubote“. Aufgrund der hohen Anzahl an Querungen verordnet die Stadt somit anstelle von Tempo 100 nur noch maximal 70 Stundenkilometer auf der K 1036.
Die Zuständigkeit obliegt der Straßenverkehrsbehörde – unabhängig davon, wer der Träger der Straßenbaulast ist, sei es die Stadt, das Land, der Bund oder wie in diesem Fall der Kreis. Entscheidungen werden normalerweise im Rahmen von Verkehrsschauen unter Beteiligung der Polizei und des Trägers der Straßenbaulast getroffen. Zuletzt war die zulässige Geschwindigkeit auf der K 1036 auch Thema in mehreren „Gäubote“-Leserbriefen von gleichermaßen Befürwortern und Gegnern einer Tempo-70-Regelung gewesen. Jetzt tritt die Straßenverkehrsbehörde aufs Bremspedal, zusätzlich zu dem bereits zuvor schon ausgesprochenen Überholverbot vor Ort.
In der Folge des Unfalls vom 20. März wurde wiederum eine Anzeige wegen Gefährdung des Straßenverkehrs aufgenommen, ausschlaggebend sei das gefährliche Überholen, weniger die dabei angewandte Geschwindigkeit, heißt es aus dem Polizeipräsidium. Obschon es durchaus zu einem Auslesen von Letzterer gekommen sein soll. Der Fall liegt inzwischen bei der Stuttgarter Staatsanwaltschaft, wo aufgrund der anhaltenden Ermittlungen zu dem Sachverhalt keine Einzelheiten zum Stand des Verfahrens mitgeteilt werden. Laut Strafgesetzbuch sieht der Paragraf 315c bei Gefährdungen des Straßenverkehrs für das fahrlässige Verursachen von Gefahren Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe vor.