Haushaltsrede der SPD-Fraktion 2014

Veröffentlicht am 01.03.2014 in Gemeinderatsfraktion

Wo stehen wir? In Deutschland prima – in der Region nicht so gut

Verglichen mit zahlreichen Gemeinden in Deutschland, die selbst laufenden Aufgaben nicht mehr finanzieren können, stehen wir gut da. Auch dieses Jahr können wir wieder eine Million Altschulden tilgen.

Verglichen aber mit anderen Gemeinden wie Kirchheim, Bietigheim, Schorndorf oder Winnenden in der Wohlstandsregion Stuttgart verändert sich das Bild: Wir nehmen in allen wichtigen Finanzkennziffern einen hinteren Rang unter 26 Gemeinden ein.

Wir nehmen pro Kopf deutlich weniger Steuern ein, haben eine höhere Pro- Kopf- Verschuldung, geben prozentual am Gesamthaushalt mehr für Personal und weniger für Investitionen aus. Das muss nachdenklich machen.

Vor allem auch deswegen, weil wir Investitionen in Neubauten und Sanierungen in der Vergangenheit durch den Verkauf von Bauland finanziert haben. Das ist das Gegenteil von Nachhaltigkeit und muss ein Ende haben.

Was ist zu tun? Finanzen auf solides Fundament setzen

Als reine Wohn- und Schlafstadt werden wir unsere teure Infrastruktur in Zukunft nicht bezahlen können. Deswegen müssen wir

  1. Unsere Ausgaben im Griff haben.
  • Es ist gut und richtig, dass sich die Verwaltung vorgenommen hat, ihre Arbeitsprozesse zu optimieren. Mehr als bisher noch müssen wir neue Aufgaben wie jetzt aktuell die Förderung der Jugendbeteiligung zunächst als Projekte begreifen, die nur mit befristeten Stellen ausgestattet werden.
  • Noch immer warten wir auf die versprochenen Erträge durch die Schaffung eines Gebäudemanagements. Dazu gehört auch, dass wir die zahlreichen öffentlichen Gebäude besser und vielfältiger nutzen müssen. Wir fordern eine Liste aller kommunalen Liegenschaften, ihres aktuellen Wertes und ihrer Nutzung. Wie kann es sein, dass wie bsp. in Affstätt an der Conrad- Weiser- Straße seit Jahren ein städtisches Gebäudeensemble brach liegt und vor sich hin verrottet?
  • Unbestreitbar ist, dass wir aufgrund unserer Teilortstruktur erhöhte Aufwendungen haben. Wenn wir dezentrale Angebote nicht abbauen wollen, dann müssen wir zumindest den Aufwand durch mehr Zusammenarbeit der Stadtteile verringern.
  • So richtig und notwendig es ist, dass sich die Verwaltung auf eine Optimierung ihrer Arbeitsprozesse einlässt, so dürfen wir davon auch angesichts der großen Aufgabenberge, die wir in den kommenden Jahren abzuarbeiten haben, nicht zu viel an Einsparung erwarten. Auch die Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung haben ein Anrecht auf humane Arbeitsverhältnisse.

 

  1. Unsere Steuereinnahmen stärken.
  • Nur wenn wir unsere Einwohnerzahl halten, bleibt der Anteil an der Einkommenssteuer so hoch wie bisher. Wenn wir dies wollen, müssen wir alles tun, um als Stadt für unsere Bürger attraktiv zu bleiben.
  • Ein weiteres Drehen an der Grundsteuer verbietet sich erst einmal, wenn wir das Wohnen nicht noch teurer machen wollen.
  • Das Hauptaugenmerk muss also auf der Erhöhung der Einnahmen aus der Gewerbesteuer liegen. Wirtschaftsförderung muss viel mehr als bisher zu einer zentralen Aufgabe werden. Das Amt muss von anderen Aufgaben entlastet werden, um das Anwerben von Gewerbe aktiv und mit Konzept zu betreiben. Gleichzeitig verwundert es schon, dass wir alle Gebühren und Steuern in den letzten Jahren erhöht, aber die Gewerbesteuer seit Jahren nicht angetastet haben. Vor allem auch deswegen, weil wir gleichzeitig Unternehmen sehr günstig Grundstücke verkaufen. Unternehmen profitieren ganz wesentlich von einer guten Infrastruktur. Also müssen sie auch gerecht an ihrer Finanzierung beteiligt werden.

Herrenberg verliert in der Region

Jahrhundertelang war Herrenberg der Mittelpunkt des Gäus. In den letzten Jahren haben wir aber zunehmend unsere Funktion als Mittelzentrum verloren. Weniger Menschen kaufen bei uns ein, gehen hier in die Schule, arbeiten hier oder verbringen bei uns ihre Freizeit. Gegenüber Rottenburg, Nagold, Tübingen oder Sindelfingen haben wir an Bedeutung verloren. Das im Kreistag diskutierte Krankenhauskonzept birgt die große Gefahr, dass auch das Krankenhaus in Herrenberg bei verringerter Bettenzahl und erhöhten roten Zahlen mittelfristig geschlossen wird. Diese Entwicklung müssen wir jetzt und zwar schnell umkehren.

2014 Jahr der Entscheidungen

Unsere Voraussetzungen sind gut: Kaum eine andere Stadt verfügt über solche Potentiale, kaum eine andere hat in den letzten Jahren so intensiv, auch mit der Bürgerschaft über ihre Zukunft nachgedacht und Pläne geschmiedet. Das Jahr 2014 muss nun das Entscheidungsjahr werden, in dem alle Pläne vernetzt und zu einem Ganzen zusammengefügt werden. Der neu zu wählende Gemeinderat könnte mit seinen Entscheidungen in die jahrhundertealte Geschichte unserer Stadt als der eingehen, der die Weichen für die Zukunft gestellt hat.

 

  • Mit dem Spatenstich für das neue Freibad bieten wir jungen und alten Menschen ein attraktives Sport- und Freizeitangebot
  • Mit der Einweihung zweier neuer modernen Kinderhäuser und der Sanierung zahlreicher alter schaffen wir jungen Familien Entlastung
  • Mit dem Baubeginn auf dem Stadtwerke- und alten ENBW- Areal entstehen  interessante und vielfältige neue Wohnmöglichkeiten in der Innenstadt
  • Mit der Entscheidung über den Investor im Seeländerareal setzen wir den Startpunkt in die neue Nutzung der Brachen entlang der Bahn. Architektonisch anspruchsvoll entstehen altstadtnah moderne Läden, Büros, Praxen und Wohnungen, die auch wieder Leben in unsere historische Altstadt bringen werden, wenn es uns gelingt interessante Achsen von diesen neuen Stadtquartieren in die Altstadt zu legen.
  • Auf dem bisherigen BayWa- Gelände könnten neben modernen Diensleistungsarbeitsplätze ein Kino, ein Jugendclub oder Büros nah an der Schiene entstehen.
  • Mit der Entscheidung über die innerstädtischen Verkehrslösungen schaffen wir hierfür die Voraussetzungen. Jede neue Verkehrslösung muss den Autoverkehr auf den Hauptachsen so verringern, dass unsere Altstadt nicht mehr von den angrenzenden Stadtquartieren abgeschnitten ist, Fußgänger, Radfahrer und der Bus müssen mehr Raum erhalten, um als Alternative attraktiver zu werden. Nur wenn es gelingt, das Autoaufkommen deutlich zu verringern, kann auch ein neuer Stadtring um die Altstadt herum entstehen.
  • Mit der Entwicklung des Bahnbogens kann es auch zum ersten Mal gelingen, einen großen grünen Park in Herrenberg zu verwirklichen. Nur wenn wir mehr Grünflächen in der Innenstadt ausweisen, dürfen wir in der Bebauung weiter verdichten.
  • Mit der neuen Spielplatzkonzeption setzen wir eine neue Form der Begegnungsmöglichkeit um. Stadt ist Begegnung und Inspiration. „Das Außen der Häuser ist das Innen der Stadt“, so Jane Jacobs. Alle Generationen wollen Treffpunkte. Dazu gehört auch, dass wir eine Konzeption für öffentliche Plätze in der Altstadt vornehmen. Die vielfachen Barrieren für alte Menschen mit Rollator, Behinderte oder auch junge Eltern mit Kinderwagen in der Altstadt müssen konsequenter beseitigt werden. Unsere Stadt ist für alle da.
  • Mit dem Startschuss für ein neues Wohngebiet Herrenberg- Süd wollen wir innenstadtnah ökologisches Wohnen für junge Familien und junge Alte verwirklichen, Kaufkraft in der Stadt binden und den Bestand der Kindergärten Schulen sichern. Wir müssen uns wieder unserer Aufgabe besinnen, allen Bürgern eine Chance zu geben, bezahlbar zu wohnen. Das Land hat seine Leistungen für den sozialen Wohnungsbau aufgestockt, nun müssen wir unseren Teil leisten, vielleicht mit einer interkommunalen Wohnbaugenossenschaft.
  • Mit den Entscheidungen zum Bildungsstandort wollen wir in Herrenberg ein vielfältiges Schulangebot sichern. Jedes Kind muss seiner Begabung entsprechend gefördert werden. Eine Gemeinschaftsschule muss als zweite Säule neben dem Gymnasium angeboten, die kleinen Grundschulstandorte durch Öffnung der Bezirke gesichert werden. Der Ausbau der Schulsozialarbeit muss voranschreiten. Wir sind froh, dass die neue Landesregierung die Kommunen bei dieser Aufgabe tatkräftig unterstützt. Gleiches wünschen wir uns in der Förderung der Ganztagesschulen. Soll gerechte Bildung gelingen, muss in das pädagogische Personal investiert werden. Wir als Stadt sind dafür verantwortlich, dass die Räume saniert und für die jeweilige Pädagogik angepasst sind. Für Inklusion müssen die räumlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Wir verhehlen nicht, dass wir uns hier ein energischeres Tempo wünschen würden. Niemals dürfen wir hinnehmen, dass Investitionsmittel, die der Gemeinderat bereits finanziert hat, nicht verbaut werden können, weil es an geeignetem Personal in der Verwaltung fehlt. Kindergärten und Schulen spüren das als erste. Zur Not müssen wir eben die Bauleitung nach außen vergeben.
  • Mit der Planung der Sanierung des Fruchtkastens soll nicht nur das zweitwichtigste historische Gebäude der Stadt gesichert werden, sondern auch ein Magnet für die südliche Innenstadt entstehen. Wir sind froh, dass unsere Überlegungen einer Mischung mehrerer Funktionen von vielen Bürgern aufgegriffen werden. Ein Museum könnte das Bewusstsein „Bürger einer mittelalterlichen Stadt“ zu sein, stärken. Nur wer seine eigene Geschichte kennt und aufgearbeitet hat, kann seine Zukunft gut bewältigen. Deswegen sind wir froh, dass nun endlich auch die Zeit der Moderne, der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus in Herrenberg aufgearbeitet werden soll. Allerdings ist die historische Erarbeitung nur dann wirklich bedeutsam, wenn die Ergebnisse entsprechend aufgearbeitet, veröffentlicht und in der Bürgerschaft diskutiert werden.
  • Wir haben es bereits seit einiger Zeit gefordert, nun will die Verwaltung den Ball aufnehmen: Das Kulturangebot der Sommerfarben bedarf einer Auffrischung. Junge Menschen müssen besser angesprochen werden, durch Pointierung sollten die Veranstaltungen auch in der Region mehr Resonanz finden. Die Sommerfarben müssen zu einem bunten Fest der Kulturen und Nationalitäten werden.
  • Wir sind auf einem guten Wege aus den Stadtwerken ein modernes Dienstleistungsunternehmen zu machen. Unser Ziel sollte es allerdings nicht sein, möglichst hohe Gewinne zu erzielen, sondern allen Bürgern ein gutes Angebot der Versorgung zu sichern. Wasser, Gas, Bus, Parkplätze oder Bäder haben bisher dazu gehört, nun kommt die Stromversorgung hinzu. Durch Quersubventionierung wird eine bezahlbare Versorgung in allen Bereichen möglich. Als weiteres wichtiges Geschäftsfeld bietet es sich an, die Effektivität der Energieversorgung zu erhöhen. Das größte Einsparpotential bieten die privaten Haushalte. Durch öffentlich geförderte Kredite könnten Investitionen in energiesparende Maßnahmen beschleunigt werden.  Mit Beratungen und Werbematerialien sollten Hausbesitzer für energiesparende Investitionen geworben werden. Dafür Geld bereit zu stellen, bedeutet am Ende, dass beide Seiten gewinnen.
  • Wir sind sehr froh, dass nach vielen Jahren nun endlich unsere Forderung nach mehr Lärmschutz gehört wird. Lärm ist inzwischen zu einer der wichtigsten Gesundheitsbelastungen geworden. Bund und Land verhalten sich leider bisher sehr zögerlich, mehr Lärmschutz zu fördern. Wir setzen auf das bereits beschlossene Lärmkataster, wir werden den OB beim Wort nehmen, Lärmschutz auf dieser Grundlage endlich konsequent anzupacken. Viele unserer Mitbürger müssen vom Würgegriff des täglichen Lärms befreit werden.

Herrenberg kann seine Infrastruktur nur finanzieren, wenn die Stadt wieder der Magnet des Gäus wird, seine Mittelzentrumsfunktion wirklich wieder wahrnimmt. Soll dies gelingen, dann geht dies nur in einer intensiven Kooperation mit den umliegenden Gemeinden. Dass das „Gäuquadrat“ zum Papiertiger verkommen ist, liegt auch in der Verantwortung Herrenbergs. Nicht nur die Finanzen, sondern auch der verantwortungsvolle Umgang mit dem Boden zwingen uns dazu.

„Mitmachstadt“

Das alles kann nur mit den Bürgern gelingen oder gar nicht. Deswegen ist es gut, dass mit dem neuen Oberbürgermeister eine Kultur des Miteinanders entstanden ist.

Wir schauen gespannt auf das neue Modell der Beteiligung junger Menschen an den kommunalen Entscheidungen. Wir halten es für richtig, dass man in  Herrenberg nicht nur auf einen Jugendgemeinderat setzt. Diese rein repräsentative Beteiligungsform entspricht nicht der Lebenswirklichkeit junger Menschen. Wir haben gute Erfahrungen mit den Beteiligungsformen der „Mitmachstadt“ gemacht. Städte sind Orte der Mitwirkung. Bürger möglichst früh zu beteiligen, verringert Konflikte und verbessert Lösungen. Wichtig ist dabei, dass alle Bürger beteiligt werden, auch die mit Migrationshintergrund, mit Handicap, die Arbeitslosen, die Kinder. Aus der Stelle der Gleichstellungsbeauftragten sollte eine der Integrationsbeauftragten werden.

Mit Sorge verfolgen wir aber die immer geringere Bereitschaft von Bürgern, sich für das Ehrenamt in der kommunalen Demokratie zu engagieren. Die zeitliche Belastung der Repräsentativorgane nimmt nicht nur mit den zahlreichen Aufgaben, sondern auch durch die zunehmende Bürgerbeteiligung zu. Wir müssen mehr als bisher darauf achten, dass sich der Gemeinderat auf wichtige politische Entscheidungen beschränkt und dass die Sitzungen effektiver ablaufen. Wir werden hierfür konkrete Anregungen einbringen.

Diese zahlreichen Herausforderungen können wir nur mit einer motivierten und gut aufgestellten Verwaltungsmannschaft schultern. Wir danken der Verwaltung, dass in Herrenberg die Vorlagen für unsere Entscheidungen in aller Regel eine hohe Qualität besitzen. Wir danken, dass unsere Anregungen aus dem Gemeinderat meist konstruktiv aufgenommen werden.  Wir danken für die Aufstellung des Haushaltes, der zunehmend den Anforderungen eines doppischen Haushaltes Rechnung trägt. Für unsere Entscheidungen wichtig ist es, dass noch mehr belastbare Kennziffern entstehen.

Angesichts der momentan sehr angespannten Personallage in der Verwaltung verzichtet die SPD- Fraktion dieses Jahr auf das Stellen eigener Anträge im Rahmen der Haushaltsberatungen.

Da der Haushalt 2014 in weiten Teilen auch unsere Handschrift trägt, werden wir der Vorlage zustimmen.

Für die Fraktion der Sozialdemokraten

Bodo Philipsen, Fraktionsvorsitzender

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Foto: Inga Kjer / photothek.net

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