Haushaltsrede der SPD 2023

Veröffentlicht am 16.01.2023 in Gemeinderatsfraktion

So einen Haushalt haben wir in den letzten Jahrzehnten nicht vorgelegt bekommen: Die Verschuldung steigt auf ein historisches Rekordhoch, der gesetzlich geforderte Ausgleich des Ergebnishaushalts kann nur mit Mittel aus der Rücklage erzielt werden, notwendige neue Investitionen können nicht mehr finanziert werden. Ein absolutes „Ausnahmejahr“ wie der OB sagt.

Ein Haushalt im Schatten des Krieges, verursacht durch Energiepreisexplosionen, Inflation, Kosten für Geflüchtete. Und kein Anlass zu Hoffnung. Unsere Einnahmen aus Einkommens- und Gewerbesteuer sind zwar niedrig, aber stabil. Es sind die Ausgaben, die uns erdrücken. Dabei sind die wahrscheinlichen Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst und die Energiepreise über 2023 hinaus noch gar nicht eingepreist.

Ein Herrenberger Problem? Nein, denn obwohl die Kommunen hohe Unterstützungsleistungen durch Bund und Land erfahren, reichen diese immer weniger aus, um die wachsende Zahl neuer Aufgaben bsp. im Bereich der Kinderbetreuung oder des Klimaschutzes zu schultern.

Angesichts der hohen Verschuldung klagen manche über mangelnde Generationengerechtigkeit, übersehen aber dabei, dass diese auch darin bestehen würde, wenn wir das städtische Gebäudevermögen verlottern lassen oder Investitionen in Bildung und Klimaschutz nicht mehr tätigen. 

Die Zeiten des „ewigen Sommermärchens“ gespeist aus billiger Energie aus Russland und billigem Konsum aus China sind wohl endgültig vorbei. Wenn wir dies als Chance begreifen, dann könnte aus einem ständigen Mehr ein Besser werden. Wahrhaft also eine „Zeitenwende“. Krisen werden wahrscheinlich unser ständiger Begleiter. Wenn das so ist, müssen wir unsere Widerstandskraft stärken. Wenn Unsicherheiten und Ängste unsere Demokratie gefährden, müssen wir den Menschen Möglichkeiten bieten, selbst anzupacken und sich gegenseitig beizustehen.

Was bedeutet das für unseren Haushalt 2023? Mehr denn je werden wir Prioritäten setzen müssen, das Wünschenswerte hinter das Notwendige hintanstellen. Wenn wir allerdings gar nicht mehr investieren, geben wir die Hoffnung überhaupt in eine Zukunft auf.

Aus der Sicht der SPD ergeben sich zwei Schwerpunkte, die in keinem Fall aufgegeben werden sollten:

  1. Bildung und
  2. Klimaschutz

Bildung braucht mehr als Räume:

Die neuesten Befunde aus den Grundschulen sind alarmierend. Etwa ein Fünftel aller SchülerInnen können am Ende ihrer Grundschulzeit weder richtig lesen, noch rechnen und schon gar nicht schreiben. Viele sind gar nicht mehr in der Lage überhaupt zu lernen, wie uns die SchulleiterInnen berichten. Das ist für diese SchülerInnen schlimm, für Deutschland als einem Land, das ausschließlich von der Ressource Innovation lebt, eine Katastrophe. Keine Frage, dass wir als Kommune Räume zur Verfügung stellen müssen, damit überhaupt alle SchülerInnen Platz finden, dass die Gebäude in einem Zustand sein müssen, der Sicherheit, aber auch Wertschätzung gewährleistet. Der Masterplan ist dabei für uns eine enorme Planungserleichterung. Deswegen stehen für uns eine neue Schule in Mönchberg und Kayh, neue Grundschulräume in der Kernstadt und ein Neubau der Albert-Schweitzer-Schule ganz vorne an. Wir teilen ausdrücklich die Skepsis des Masterplanbeirats, die Pfalzgraf-Rudolph-GS fünfzügig auszubauen. 

Wenn aber Kindergartenkinder, wenn sie in die Schule kommen, nicht mehr kleben, schneiden oder falten können, nicht auf dem Platz sitzen oder zuhören können, sind wir als Kommune auch pädagogisch gefragt. Das werden wir auch durch noch so viele SozialpädagogInnen nicht auffangen können. Wir regen hierzu einen Bildungsgipfel mit Kitas und Grundschulen an. Aus unserer Sicht müssen Kinder von früh an lernen, Verantwortung für sich und andere wahrzunehmen. Die Eltern können wir dabei nicht aus der Pflicht nehmen. Unterschiedliche familiäre Startchancen werden wir aber nur über Ganztagesschulen glätten können. 

Klimaschutz im Bündnis mit BürgerInnen und anderen Stadtwerken

Auch bei diesem Thema sind die aktuellen Befunde mehr als ernüchternd. Die meisten WissenschaftlerInnen haben das 1,5-Grad-Ziel von Paris bereits aufgegeben. Zahlreiche Kipppunkte kommen bedrohlich nah und laufen Gefahr, sich gegenseitig zu verstärken.

Auch hier haben wir mit dem Klimafahrplan eine gute Orientierungshilfe erarbeitet. Nun muss es rasch und konsequent an das Umsetzen gehen. Erfolgreiche Kommunen zeigen, dass das Sparen vor dem Erzeugen regenerativer Energien kommen muss. Sie unterstreichen auch, dass die Kommune allein scheitern muss, wenn sie nicht auf die Initiative und das Geld der Privaten setzt. Mit den Herrenberger Sonnendächern machen wir das als Gemeinde schon seit vielen Jahren erfolgreich vor. Die erforderlichen Maßnahmen sind im Klimafahrplan beschrieben, jetzt muss es um die Umsetzungsstrategien gehen: 

Wie kann es gelingen, im Altbestand der Wohnungen und Gewerbegebäude zur erforderlichen Sanierungsquote zu kommen, wie kann die Verkehrswende gelingen und wie kann der Umstieg auf regenerative Energien umgesetzt werden? 

Dass die Stadtwerke dabei eine zentrale Rolle einnehmen müssen, ist allen klar. Deutlich wird aber auch, dass sie aufgrund ihrer momentanen Größe selbst damit überfordert sind, ihre aktuellen Produkte attraktiv an die Kunden zu bringen. Vakante Stellen tun ein Übriges, dass die schon lange eingeforderte Unternehmensstrategie immer noch auf sich warten lässt. Wir Sozialdemokraten sind der Überzeugung, dass wir die Stadtwerke nur dann besser aufstellen können, wenn sie mit anderen Stadtwerken kooperieren, Kapital und Know-how bündeln. Wir fordern deswegen in solche Gespräche rasch einzusteigen.

Die Verkehrswende gelingt nur, wenn attraktiver ÖPNV, sichere Rad- und Fußwege und E-Mobilität ineinandergreifen. Eigentlich hat Herrenberg als Stadt der kurzen Wege und des optimalen ÖPNV-Anschlusses gute Voraussetzungen, um den Autoverkehr zu verringern. Hören wir also auf die NutzerInnen: Der Bus muss pünktlich ankommen und muss sicher die Anschlüsse an den Zug erreichen. Wir schlagen deswegen vor zu prüfen, ob zukünftig alle Busse, außer dem nach Gäufelden von der Nordseite des Busbahnhofes abfahren, um das Nadelöhr an der Horber Straße zu umgehen. Bauen wir endlich den Rad-Innenstadtring aus statt weiter in teure Radwege auf den Hauptstraßen zu investieren, verschaffen wir dem Fußgänger endlich Wege, auf denen er nicht dauernd durch das Auto gefährdet wird und errichten ein dichtes Ladesäulensystem.  Grundsätzlich muss gelten, dass umweltfreundliche Fortbewegung Vorfahrt gegenüber dem Auto hat. Auch und gerade an Ampeln. Erneut fordern wir mit einem Klimamobilitätsplan den Verkehr in den Klimafahrplan aufzunehmen.

Und für uns schon lange klar: I3opt. hat in dieser Haushaltslage überhaupt keinen Platz. Wenn überhaupt lässt sich die Fußgängerzone Horber Straße und die ebenerdige Überquerung des Schickplatzes auch durch eine Verlegung der Horber Straße diesseits der Bahn verwirklichen.

Lassen Sie mich noch zu einige anderen kontroversen Themen kommen:

Herrenberg Süd sichert bezahlbare Wohnungen und den Wirtschaftsstandort Herrenberg

Unstrittig ist, dass wir neue Wohnungen benötigen, um den Wirtschaftsstandort Region Stuttgart zu erhalten, unstrittig ist, dass wir mehr preisgünstige Wohnungen benötigen und ebenso unstrittig ist, dass wir die Innenentwicklung mit Nachverdichten und dem Schließen von Baulücken brauchen. Nach allen Aussagen von Experten aber, wird dies nicht reichen. Deswegen sollten wir Herrenberg Süd erschließen, auch um weiteren Flächenfraß im Gäu und Schwarzwald zu bremsen. 

Wenn die Kommune langfristig sozialen Mietwohnungsbau anbieten und in der eigenen Hand behalten will, benötigen wir auch eigene Wohnungen im Rahmen einer kommunalen Baugesellschaft. Dies kann im Rahmen einer Baugenossenschaft des Landkreises oder in Kooperation mit einer anderen kommunalen Baugesellschaft erfolgen.

Belebung der Innenstadt durch Qualität der öffentlichen Räume

Orte, in denen eine Wiederbelebung der Stadtkerne gelingt, setzen nicht auf das Auto, sondern auf Qualität der öffentlichen Räume, setzen auf einen Mix von Angeboten, bei denen viele auch nicht kommerziell sind.

Wie schon im Mittelalter wird unser Stadtkern allein durch Einzelhandel nicht überleben. Schon damals war er Standort für Wohnen, für Gastronomie, Handwerk und Dienstleistungen. Auch die Kultur wird im 21.Jahrhundert eine tragende Säule sein. Das hat der Gemeinderat mit einer großen Mehrheit für die Sanierung des Fruchtkastens erkannt. Der Bund fördert diese Maßnahme als eines von ganz wenigen kulturellen Projekten Deutschlands mit vielen Millionen. Diese Gelder erneut in den Wind zu schreiben, hieße, auf viele Jahre auf Bundesmitteln verzichten zu müssen. Dann müssten wir unser zweitgrößtes historisches Gebäude selber instandsetzen und dann würden wir die große Chance verpassen, durch ein überregional interessantes Museumsangebot im Tourismuspaket mit anderen Herrenberger Attraktionen wie dem Aussichtsturm Menschen aus der ganzen Region Stuttgart nach Herrenberg zu locken. Darüber hinaus könnte der Fruchtkasten zu einem Ort werden, in dem die BürgerInnen zusammenkommen, sich austauschen, Regionales erwerben und zu einer gemeinsamen Identität finden. 

Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die Stadt nun beginnt, aktiv Gebäudemanagement in der Altstadt zu betreiben. Nur wenn es uns gelingt, zentrale Grundstücke ins eigene Eigentum zu bekommen, können wir verhindern, dass sich nur noch Dönerstände und Friseure ansiedeln. Neben Tübinger- und Stuttgarter Straße muss das Augenmerk der Hirschgasse gelten, wenn die Achse Seeländer-Marktplatz funktionieren soll.

Aus unserer Sicht ergeben sich auf dem Stadthallengelände durch den Abbruch der alten Reitanlage große Potentiale. Nirgendwo haben wir als Stadt so große zusammenhängende Flächen im eigenen Eigentum. Diese Flächen schreien geradezu nach neuen Planungen. Schön, dass die Verwaltung das inzwischen auch so sieht.

Im BayWa-Areal bestehen diese bereits, konnten aber bisher nicht an den Markt gebracht werden. Wir SozialdemokratInnen sind weiterhin der Auffassung, dass an dieser Stelle der Schwerpunkt bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze liegen sollte, was aber eine neue Schule, Teile des Rathauses, eine Kita, die Feuerwehr oder Wohnungen daneben nicht ausschließt. Wir sollten rasch klären, was wir uns an diesem Standort vorstellen und in eine professionelle Vermarktung gehen.

Sicher ist, dass beide Standorte enorm zur Belebung der Innenstadt beitragen könnten.

Eine Stadt lebt aber nicht nur von Gebäuden, sondern auch von Beziehungen. Um die Jugendarbeit zu stärken, benötigen wir stabile Mittel für den Stadtjugendring, um die Arbeit mit unseren SeniorInnen zu festigen, benötigen wir mehr Personalstellen in der direkten Betreuung. Für beide Gruppen könnte der Klosterhof noch deutlich attraktiver werden. Wir bedauern es sehr, dass es noch immer nicht gelungen ist, den sehr interessanten Innenhof häufiger zu bespielen. Wir warten gespannt auf die Empfehlungen des Projekts „Jung sein in der Kommune“ und sollten konsequent die Empfehlungen des Stadtseniorenberichts umsetzen.

Viel Bewegung auch in den Stadtteilen

Die neue Grundschule in Kayh/Mönchberg darf nicht auf die lange Bank geschoben werden, weil alle längeren Interimslösungen teuer und aufwändig würden.

Gültstein wartet nicht nur sehnlich auf das neue Baugebiet, sondern auch auf eine Kita mit Ganztagesbetreuung. Eventuell sollten wir diese vorziehen. In Haslach besteht weiter die Furcht, dass eine Erweiterung des Steinbruchs das Grundwasser schädigt und zu Häuserbeschädigungen führt. Die Stadt sollte deswegen aktiv die Bürgerinitiative gerichtlich unterstützen. In Affstätt wird es nur dann zu einer echten Innenentwicklung kommen, wenn der Stadtteil den Zuschlag für die Aufnahme in das Landessanierungsprogramm bekommt. In Kuppingen gilt es, den Standort der Grundschule zu sichern. In Oberjesingen verfolgen wir mit Interesse, ob es gelingt auf den Flächen am Gemeindehaus Wohnungen für ältere Menschen im Verbund mit einer Ganztagesbetreuungseinrichtung für Kinder zu schaffen. Die dann freiwerdenden alten Häuser könnten jungen Familien nutzen und es könnte ein lebendiges Miteinander von Jung und Alt im neuen Areal entstehen.

Die Aufnahme von Geflüchteten wird erneut zu einer enormen Herausforderung für die Kommunen. Wir fürchten, dass sich dies auch in den nächsten Jahren nicht ändern wird. Deswegen ist der Ansatz des Gemeinderatsbeschlusses richtig, hierfür stabile Häuser in Modulbauweise auf die gesamte Stadt verteilt zu errichten statt sehr teure und unmenschliche Containerbehausungen zu mieten. Eine zentrale Unterbringung auf dem BayWa-Areal in der Nähe des Brennpunktes Bahnhof halten wir für keine gute Lösung.

Mehr BürgerInnenbeteiligung als Antwort auf wachsende Demokratieskepsis

Auch in Herrenberg gilt es nun die „Zeitenwende“ umzusetzen. Mit immer Mehr und immer Größer werden wir unsere Zukunft nicht sichern, eher mit neuen Maßstäben für ein gutes Leben wie Zeit, Gemeinschaft und Nachhaltigkeit. Staat und Kommune werden nicht alle Probleme der Menschen lösen können, aber sie müssen denen beistehen, die sich allein nicht helfen können, und sie müssen in diesen Umbruchszeiten Angebote zur Mitgestaltung machen, damit BürgerInnen sich nicht als Opfer, sondern als Handelnde erleben. Nur das stärkt am Ende unsere demokratischen Grundlagen. Wir fordern deswegen eine bürgernähere Information über Kommunalpolitik durch ein Live-Streaming der Gemeinderatssitzungen, eine Seite der Fraktionen im Amtsblatt, mehr Anhörungen von Bürgerinnen und Bürgern als Experten in den Ausschüssen oder auch einen Bürgerrat zu einem aktuellen kontroversen Thema wie bsp. der Errichtung eines Parkhauses. Wir sind skeptisch, ob über Quartiersräte wirklich die BürgerInnen erreicht werden können, die bisher fernab der Kommunalpolitik stehen oder ob damit nicht eher die Position der bisher schon überrepräsentierten Gruppen verfestigt wird.

Fahnenflucht der AfD

„Alle sagten, das geht nicht. Dann kam einer, der wusste das nicht und hat es einfach gemacht“. Unsere Zeit kann sich ein „Weiter so“ nicht leisten, sie braucht neue Ideen und neuen Mut. 

Träume der rechtsradikalen Populisten von Lösungen von vorgestern sind das Gegenteil davon, ihr Hass und ihre Hetze spalten, wo wir gegenseitige Unterstützung und Gemeinschaft brauchen. Die „Alternative für Deutschland“ hat zu keiner Zeit im Herrenberger Gemeinderat kommunale Alternativen präsentiert und sie hat am Ende alle ihre WählerInnen verraten, weil sie ihr Mandat nicht mehr besetzt hat. Demokratie ist eben auch harte Arbeit. Der wollte sich die AfD nie stellen. Daran sollten sich alle bei der nächsten Wahl erinnern. 

Der vorgelegte Haushaltsentwurf ist mutig, weil er bereits begonnene Projekte nicht in Frage stellt. Für die Zeit nach 2023 lebt er aber nur noch von Hoffnung. Wir hätten uns schon gewünscht, dass man sich rechtzeitig für verschiedene Planfälle unterschiedliche Optionen zurechtlegt.

Da 2023 allerdings aus unserer Sicht die richtigen Schwerpunkte gesetzt werden, werden wir als SPD diesem Haushaltsentwurf zustimmen.

Bodo Philipsen, Fraktionsvorsitzender der SPD
 

 

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