„Ich habe ein Herz für die Schwachen“

Veröffentlicht am 10.03.2017 in Presseecho

Auf diesem Platz hat Günter Achilles seine politische Arbeit im Herrenberger Rathaus begonnen (GB-Foto: Holom)

Gäubote vom 10.03.2017

Herrenberg: Günter Achilles, der Senior im Gemeinderat, feiert heute 80. Geburtstag – Mäßigende Worte und beißende Kommentare

Politik ist für Günter Achilles ein Lebenselixier. Sie muss den Menschen dienen, sie darf nicht Selbstzweck sein oder von reinem Machtstreben und Profitdenken getrieben werden. Gerecht muss es zugehen. Diesen Maßstab legt er an die Weltenlenker, auch die Politik vor Ort bemisst sich daran. Was Graswurzel-Demokratie im Rathaus bedeutet, das wissen nur wenige so genau wie Achilles. Ein halbes Leben lang hat der SPD-Gemeinderat, der heute 80 Jahre alt wird, in Gemeinderäten mitgewirkt. Von 1968 bis 1975 in Nagold und seit 1980 ununterbrochen in Herrenberg. Niemand sonst im Stadtparlament übt dieses Ehrenamt länger aus. Dass Achilles auch Alterspräsident wäre, wenn es denn ein solches Amt gäbe, versteht sich fast von selbst. Er gehört einfach dazu, das belegen auch die hohen Stimmenzahlen bei den Ratswahlen, die er eingefahren hat.

Günter Achilles kann zuhören, er kann sogar in hitzigen Diskussionen mal ein mäßigendes Wort sprechen. Mit Altersmilde sollte das niemand verwechseln. Unverändert berüchtigt ist er für seine beißenden Kommentare, wenn ihm etwas gegen den Strich geht. Er kann provozieren, etwa wenn er den früheren Herrenberger OB Dr. Volker Gantner immer mal wieder als „Herr Kollege“ angesprochen hat, nur um ihm öffentlich zu demonstrieren, dass er trotz seines herausgehobenen Amtes nicht über dem Gemeinderat steht. Achilles: „Wenn ich das Gefühl habe, die Rechte des Gemeinderats werden ausgehebelt, dann reagiere ich allergisch. Die Stellung des OB nach der Gemeindeordnung ist so stark, da braucht es keine weiteren Übergriffe. “ Im Zweifel ruft Achilles dann sogar die Aufsichtsbehörde auf den Plan, egal wie es die Ratskollegen sehen, die eigene Fraktion eingeschlossen. Bei ihm heißt das „Haltung zeigen“. Verschmitzt lächelt er dazu.

Seine Widerständigkeit und Streitlust, die Achilles zuletzt in der hitzigen Diskussion um die Spielplätze in der Kernstadt vorexerziert hat, haben ihren Nährboden auch in der frühen Biografie. In den Schoß fällt ihm nichts, er muss selbst etwas aus sich machen – und sich nicht selten neu erfinden. Am 10. März 1937 kommt er als eines von vier Kindern in Braunschweig zur Welt. Der Vater ist Kunstschreiner und Kassier im SPD-Ortsverein. Günter Achilles überlebt den Bombenhagel im Luftschutzkeller. Nach acht Jahren Volksschule lernt er Maler, geht erst zum Bundesgrenzschutz, 1956 zur neu gegründeten Bundeswehr. Als Fallschirmspringer ist er von 1960 bis 1970 auf dem Eisberg stationiert. In Nagold gründet er eine Familie, die drei Kinder werden dort geboren. Mit 31 Jahren zieht er als jüngstes Mitglied in den Nagolder Gemeinderat ein. Beruflich indessen strebt Günter Achilles noch mal Neuland an. In Weingarten und Karlsruhe absolviert er eine Fachschulausbildung, von 1969 an studiert er in Stuttgart Sozialarbeit. Günter Achilles ist angekommen: „Ich habe ein Herz für die Schwachen.“ Von 1973 bis zu seiner Pensionierung 2002 arbeitet er im Böblinger Landratsamt, wo er auch seine zweite Frau Elisabeth kennenlernt. Jugendamt, Familienfürsorge, Behinderten-Berater und zuletzt die Leitung der Betreuungsbehörde sind seine Karrierestationen. Die Sprechstunde des VdK hält er noch immer regelmäßig im Herrenberger Rathaus ab. Soziale Fragen, sie sind ihm eine Lebensaufgabe geworden.

Differenziert ist sein Blick auf die Stadt, die er seit 37 Jahren mitgestaltet und in der er seit 1977 lebt. Das Wichtigste sei ihm, Herrenberg als „eine Stadt“ zu begreifen. Seine Botschaft: „Wenn ein Kuppinger beim Volksfest gefragt wird, woher er kommt und die Antwort ’Herrenberg’ heißt, dann zeigt das eine gute Entwicklung.“ Zu Beginn der 80er Jahre sei das noch viel schwieriger gewesen. Mit drei Oberbürgermeistern hat Achilles zusammengearbeitet. Herausragend im Schaffen von Heinz Schroth ist für ihn die Stiftskirchensanierung, die 1982 abgeschlossen wird. Als äußerst produktiv empfindet er die Amtszeit von Volker Gantner. Das Einkaufszentrum im Nufringer Tor, die S-Bahn, die Ammertalbahn oder auch die Hofscheuer-Sanierung samt Stadtbibliothek haben diese zwei Jahrzehnte geprägt. Traurig ist Achilles darüber, dass CDU und Freie Wähler damals bei der Fruchtkasten-Sanierung nicht mitgezogen haben, obwohl Gantner die Fördermillionen schon in Stuttgart losgeeist hatte.

Kritischer stuft er den gegenwärtigen Rathauschef Thomas Sprißler ein. Achilles: „Manchmal kommt mir die Mitmach-Stadt wie ein Demokratie-Spielen vor. Er steht für Friede, Freude, Eierkuchen, aber Harmonie muss man sich erstreiten.“ Grundsätzlich wünscht sich Achilles eine lebendigere Debattenkultur, bei der nicht allein die Wortführer der Fraktionen reden. „Mir geht es um die Leidenschaft für die Sache“, sagt er über seinen Politikstil, Feindbilder pflege er nicht. Sich selbst sieht er als einen philosophischen Menschen, der auch versöhnlich sein und integrieren kann. „Ich glaube, dass der Mensch aus sich heraus zum Guten befähigt ist.“

Viel erreicht worden ist nach seinem Urteil in der Stadtentwicklung. Aber es gebe auch Defizite. So habe man die durchschneidende Wirkung des Reinhold-Schick-Platzes nicht aufheben können. „Da habe ich das Gefühl, wir können uns bemühen, wie wir wollen, und es klappt einfach nicht.“ Wünschen würde sich der nun 80-Jährige ein geschärftes Profil der Stadt in der Region. Die Stiftskirche als Alleinstellungsmerkmal reiche nicht. Ein Kulturprojekt, an dem sich die Geister scheiden – das wäre nach seinem Geschmack.

Ungezählte Tage und Stunden hat Günter Achilles in sein Ratsmandat gesteckt, zu einer Last sei ihm diese Aufgabe nie geworden. „Für mich ist es eine Lust, viel zu hören, zu sehen und zu erfahren – die Arbeit im Gemeinderat ist ein Riesenbildungslehrgang.“ Für ihn steht deshalb außer Zweifel, dass er diese Legislaturperiode komplett zu Ende bringt. Freilich, Politik ist nicht seine einzige Passion. Ein Leben ohne Bücher wäre Achilles ein Graus, Sport treibt er zwei, dreimal die Woche. Und wenn er auf Reisen geht, sind Inseln das Lieblingsziel. Weit weg, am besten welche mit eigener Landesfahne. Achilles sammelt Flaggen, die er gelegentlich auch vor seinem Haus hisst. Am Geburtstag hängt dort vermutlich rot-weißes Tuch – die Farben von Braunschweig, seiner Geburtsstadt.
HARALD MARQUARDT

 

Jetzt Mitglied werden

Foto: Junge Menschen sitzen rundum ein großes SPD-Logo

Foto: Inga Kjer / photothek.net

Seit 1890

https://www.spd-herrenberg.de/images/user_pages/125_Jahre_400x200.jpg

Terminvorschau

Alle Termine öffnen.

16.05.2024 - 16.05.2024 Vorstandssitzung

06.06.2024 - 06.06.2024 Vorstandssitzung

10.06.2024 Wahlparty

21.06.2024 Jahresmitgliederversammlung

20.07.2024 - 20.07.2024 Grillfest

Alle Termine

Wir im Netz

 InstagramLogoHrbg

Suchen