„Die Erneuerung der Partei muss heute beginnen“

Veröffentlicht am 11.08.2018 in Presseecho

Gäubote vom 11.08.2018

Herrenberg: Offener Brief von Bodo Philipsen an die SPD-Bundesvorsitzende Andrea Nahles

Hart ins Gericht geht Bodo Philipsen, Sprecher der SPD im Herrenberger Gemeinderat, mit dem Kurs der Sozialdemokraten auf Bundesebene und deren Arbeit innerhalb der großen Koalition. In einem offenen Brief an die Partei- und Fraktionsvorsitzende der BundesSPD, Andrea Nahles, spricht er die aus seiner Sicht vorhandenen Missstände und Fehlentwicklungen deutlich an.

„Die Erneuerung der Partei muss heute und jetzt beginnen und sie muss für alle Bürger nachvollziehbar sein. Unsere Geduld ist am Ende“, schreibt Bodo Philipsen in seinem offenen Brief. Die mit dem Eintritt in die große Koalition versprochene Erneuerung sei „steckengeblieben, in der öffentlichen Wahrnehmung werden wir als Partei für alle Übel dieser großen Koalition in Haft genommen“. In nahezu keinem politischen Arbeitsfeld sei eine „klare und entschlossene Linie erkennbar, geschweige denn ein Profil dieser Regierung“, das sie legitimieren würde, Regierungsverantwortung zu tragen – obwohl beide sie tragenden Parteien bei den letzten Bundestagswahlen das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren hätten. Auch Nahles’ erste 100 Tage im Amt seien „mehr oder weniger ohne sichtbare Richtungsentscheidungen oder politische Projekte“ vergangen. Viele Bürger, so Philipsen, fühlten, dass staatliches Handeln vielfach die Kontrolle über gesellschaftliche Prozesse verloren habe. Der demokratische Staat verliere seine Legitimität, die Demokratie als solche scheine sinnlos zu werden, wenn die sie bildende Regierung nicht in der Lage sei, Probleme der Menschen schnell und wirksam zu lösen.

Das habe zunächst bezüglich der Globalisierung gegolten, dann gegenüber den grenzübergreifenden Finanzmärkten, den Ungerechtigkeiten des Steuersystems, dem immer rascher voranschreitenden Klimawandel, den „Datenkraken von Amazon, Apple und Google“ und nicht zuletzt gegenüber den weltweiten Flüchtlingsströmen. Steueroasen erlaubten zahlreichen internationalen Konzernen, dass sie – anders als mittelständische Betriebe – kaum Steuern zahlen müssten, und Deutschland habe seine Vorreiterrolle als Klimaschützer längst aufgegeben. Die „Lobby der Kohlebarone und die der Autoindustrie war bisher immer stärker als jede Vernunft“.

Die Regierung müsse gemeinsam Probleme lösen und sich nicht gegenseitig beschimpfen. Die „klammheimliche und eilige Erhöhung“ der Parteifinanzierungen durch CDU und SPD indes sei ein völlig falsches Signal der Eintracht gewesen und habe die Parteienverdrossenheit weiterbefördert. Es gebe nur einen Weg, linken und rechten Populismus aufzuhalten: Man müsse die realen Sorgen und Nöte der Menschen ernst nehmen und entschlossen um Lösungen ringen. Die SPD als „traditionell internationale Partei“ stehe in der Pflicht, gegen alle nationalistischen Strömungen auf ein geeintes Europa zu setzen. Merkel vorzuwerfen, dass sie kleinherzig sei, sei „in Ordnung – aber nur, wenn man selber einen größeren Entwurf konkret hat und im Außenministerium auch vertritt“. Europa als supranationale Einheit könne der reale politische Gegenentwurf zu allen nationalistischen Regierungen sein.

Der Affstätter fragt: „Warum treten wir nicht entschlossener gegen Kohle-, Auto- und Landwirtschaftslobby an? Warum investieren wir immer noch viel zu wenig in die Infrastruktur und setzen stattdessen weiter volkswirtschaftlich falsch auf die schwarze Null? Warum kommt der schnelle Internetanschluss nicht viel schneller, der Ausbau eines integrierten Mobilitätssystems, warum gibt Deutschland weiter viel weniger in Bildung und Betreuung aus als die meisten vergleichbaren Industrieländer, warum müssen in einem der reichsten Länder der Welt alte und kranke Menschen eine verheerende Betreuung hinnehmen?“ Philipsen vermisst Antworten der SPD auf die „verheerend wirkende“ Abkopplung der Finanzmärkte von den Realmärkten; auf die große Gefahr zusammenbrechender Banken; auf die zunehmende Ungleichheit in der Gesellschaft; auf schlecht bezahlte Arbeit; auf das Versagen der Verwaltung der Flüchtlinge. Nur wenn die SPD wieder die Werte der Solidarität und Gerechtigkeit in Politik gieße, werde sie wieder als linke Partei wahrgenommen. Nur wenn sie die Ängste der Menschen ernst nehme und konkrete Antworten finde, werde sie wieder als Partei der „kleinen Leute“ verstanden werden. Nur wenn sie „wirklich das Banner von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten in allen ihren politischen Handlungen hochhält, bleiben diese Werte glaubwürdig“.

Stadtrat befürchtet „Schlimmstes“

Sollte sich nichts ändern, „fürchte ich Schlimmstes“. Die Lehre aus Weimar sei eben auch ein Versagen der SPD in der großen Koalition und in der Unterstützung Brünings und seiner deflationären Politik zu Zeiten der Wirtschaftskrise 1928 bis 1932. Das kleinere Übel könne „ganz schnell zum ganz großen werden, wenn die SPD sich erst dann entschlossen gegen rechte und linke Antidemokraten stellt, wenn jeder Einzelne von uns mit seinem Leben bedroht ist“. Noch sei die AfD schwächer als die SPD – „man stelle sich aber vor, sie hätte statt solcher Antifiguren wie Gauland und Weidel charismatische Führungsfiguren“.
-gb-

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